Der Wirbel um Schloss Roissy: Wie der Roman von Pauline Réage die Polizei auf Trab hielt

Als erotische Autorin oder erotischer Autor ist es wichtig, die historischen Wurzeln des Genres und seine wegweisenden Werke zu kennen und zu verstehen. Eines der kontroversesten und bahnbrechendsten Werke der erotischen Literatur ist “Geschichte der O” der französischen Autorin Anne Desclos, die auch unter dem Pseudonym Pauline Réage schrieb. Dieser Roman ist so einschneidend, dass er öffentliche Empörung und sogar eine offizielle polizeiliche Untersuchung auslöste. In diesem Blogbeitrag geht es um die Entstehung und die Folgen von “Geschichte der O” und darum, wie er die Landschaft der erotischen Literatur beeinflusst hat.

Der Roman “Geschichte der O” erschien 1954 in Frankreich und erzählt die Geschichte einer jungen Frau namens “O” und ihrer Reise in den Bereich BDSM und Unterwerfung. Die Modefotographin O wird von ihrem Freund Réné auf ein Schloss in der Nähe von Paris gebracht. Dort wird sie zunächst ausgepeitscht und von mehreren Männern genommen. Aus Liebe zu Réné lässt sich O auf diese Übergriffe ein. Sie bleibt längere Zeit als freiwillige Sexsklavin in diesem Schloss. Später gibt Réné O dann an einen älteren Herren weiter. Sie wird diesem Mann, Sir Stephen, hörig. Sir Stephen führt O tiefer in die Welt der Sadomasochismus ein.

Die anschauliche und explizite Sprache und die düsteren Themen des Buches sorgten schnell für Aufmerksamkeit. Spekulationen führten dazu, dass die französische Polizei sich auf die Suche nach dem Schloss machte, das im Roman den Namen Roissy trägt. Unzählige Chateaus wurden abgeklappert und mit den Angaben des Romans abgeglichen.

Laut Roman sollte sich das Anwesen in der Nähe von Paris befinden und inmitten eines großen Parks mit einem See liegen. Im Keller sollte es einen Kerker geben, und darüber hinaus eine Reihe von Räumen, in denen sado-masochistische Praktiken durchgeführt werden konnten. So befanden sich laut Roman in der Bibliothek eine Galerie, die von zwei Säulen getragen wurden. In einer dieser Säulen befand sich ein Haken, mit dessen Hilfe O’s Hände über ihrem Kopf festgehalten werden konnten. Selbst die Farben der Teppiche und Wände waren im Roman detailliert beschrieben. Die Polizei fand jedoch kein Schloss, das den Beschreibungen im Roman entsprach.

Der Erfolg des Romans führte bald zu einem echten Skandal, als eine Französin namens Dominique Aury (ein weiteres Pseudonym der Schriftstellerin Anne Declos) zugab, das Buch unter dem Pseudonym Pauline Réage geschrieben zu haben. Dass eine weibliche Autorin ausführlich über BDSM und Unterwerfung schreibt, war ungewöhnlich, und viele fragten sich, wie viel von der Geschichte autobiografisch war. Aury erklärte, dass der Roman nicht auf realen Ereignissen beruhe, sondern eine fiktive Geschichte sei. Trotzdem glauben einige Menschen noch heute, dass der Roman bis zu einem gewissen Grade autobiographisch sein müsse, da die geschilderten Sadomasochismus-Praktiken im Roman eine profunde Kenntnis der Szene voraussetzen.

Die französische Polizei leitete eine Untersuchung ein, um zu klären, ob die “Geschichte der O” obszön und potenziell gesellschaftsschädigend ist. Im Jahr 1955 wurde der Verlag des Buches wegen der Veröffentlichung obszönen Materials angeklagt. Die Klage wurde zwar abgewiesen, aber das Buch blieb dennoch für mehrere Jahre auf dem Index. Erst im Jahr 1967 wurde das Buch von der französischen Regierung von der Liste der indizierten Bücher gestrichen.

Auch in Deutschland kam es zu wiederholten Polizeieinsätzen wegen des Romans. Die erste polizeiliche Ermittlung wegen des Romans wurde bereits 1958 in München eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft München befand, dass der Roman “anstößig und unzüchtig” sei. Der Roman wurde daraufhin indiziert, was bedeutet, dass er jahrelang nicht öffentlich zugänglich war. 1962 wurde der Roman in einer Neuauflage veröffentlicht. Dies führte zu einer erneuten polizeilichen Ermittlung. Die Staatsanwaltschaft München befand, dass der Roman weiterhin indiziert bleiben sollte. 1970 wurde der Roman in einer weiteren Neuauflage veröffentlicht. Dies führte zu einer dritten polizeilichen Ermittlung. Die Staatsanwaltschaft München endlich befand, dass der Roman nicht mehr indiziert werden sollte. Daher wurde die “Geschichte der O” schließlich 1971 aus dem Index gestrichen.

In den Vereinigten Staaten wurde das Buch erstmals im Jahr 1959 veröffentlicht und sofort von der Regierung verboten. Das Verbot wurde im Jahr 1966 aufgehoben, aber das Buch blieb in einigen Staaten auf dem Index. Erst im Jahr 1986 wurde das Buch in allen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von der Liste der indizierten Bücher gestrichen.

In Großbritannien wurde das Buch im Jahr 1965 indiziert und blieb bis zum Jahr 1986 auf dem Index. In Australien wurde das Buch im Jahr 1966 indiziert und blieb bis zum Jahr 1982 auf dem Index.

Trotz der Kritik und der Verbote erlangte das Buch enorme Popularität und weltweite Aufmerksamkeit, vor allem unter Liebhabern von BDSM und erotischer Literatur. Autoren erotischer Literatur können aus der Wirkungsgeschichte dieses Romans einige wichtige Lektionen lernen:

Die Macht der Tabubrüche: “Geschichte der O” war in seiner Zeit äußerst kontrovers und wurde aufgrund seiner expliziten Darstellung von BDSM und anderen sexuellen Praktiken stark diskutiert. Autoren erotischer Literatur können daraus lernen, dass das Brechen von Tabus und das Erkunden von Grenzen in ihren Geschichten Aufmerksamkeit erregen können. Allerdings ist es wichtig, solche Themen mit Sensibilität und Verantwortung zu behandeln, um mögliche negative Reaktionen zu minimieren.

Psychologische Tiefe: Der Roman “Geschichte der O” geht über die rein physische Darstellung von Sexualität hinaus und erkundet die psychologischen Aspekte der Hauptfigur. Dies zeigt, dass erotische Literatur nicht nur auf körperliche Handlungen beschränkt sein muss, sondern auch die inneren Gedanken und Gefühle der Charaktere erforschen kann. Dies verleiht der Geschichte Tiefe und Komplexität.

Die Bedeutung von Charakterentwicklung: In “Geschichte der O” erlebt die Hauptfigur eine tiefgreifende Charakterentwicklung. Autoren können daraus lernen, wie wichtig es ist, die Entwicklung der Charaktere in erotischer Literatur zu betonen, da dies dazu beiträgt, die Leser emotional in die Geschichte einzubeziehen.

Stil und Sprache: Der Stil und die Sprache, die in erotischer Literatur verwendet werden, sind entscheidend. Autoren sollten sorgfältig darüber nachdenken, wie sie die sexuellen Szenen beschreiben, um eine Atmosphäre der Erotik und Intimität zu schaffen, ohne vulgär oder obszön zu wirken. Der Schreibstil sollte zur Stimmung der Geschichte passen.

Kritische Reflexion: “Geschichte der O” hat auch kritische Reflexionen hervorgerufen, insbesondere in Bezug auf Fragen der Unterwerfung und des Feminismus. Autoren erotischer Literatur sollten sich bewusst sein, dass ihre Werke unterschiedliche Interpretationen und Diskussionen auslösen können. Es ist wichtig, die möglichen sozialen und politischen Implikationen ihrer Geschichten zu berücksichtigen.

Insgesamt können Autoren erotischer Literatur aus der Wirkungsgeschichte von “Geschichte der O” lernen, wie sie anspruchsvolle und provokative Geschichten schreiben können, die die Leser fesseln und zum Nachdenken anregen, während sie gleichzeitig ethische und soziale Fragen berücksichtigen.

“Geschichte der O” von Pauline Réage ist ein bahnbrechendes Werk der erotischen Literatur, das bei seiner Erstveröffentlichung Wellen schlug und das Genre bis heute beeinflusst. Der Einfluss des Buches ist in der Art und Weise spürbar, wie Autoren über Sexualität, BDSM und Machtdynamik in der Literatur schreiben und wie die Gesellschaft und Kritiker Erotikbücher betrachten und konsumieren. Wenn wir die Entstehung und die Kontroverse um das Buch verstehen, können wir die Geschichte der erotischen Literatur besser nachvollziehen und verstehen, wie sie sich zu dem entwickelt hat, was wir heute kennen und lieben. Als Erotikautorinnen und -autoren können wir uns von “Geschichte der O” inspirieren lassen und daraus lernen, wie wir die Grenzen dessen, was in diesem Genre akzeptabel und unterhaltsam ist, weiter verschieben können.

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