Busen fristen in der erotischen Literatur, vor allem bei den Selfpublishern, ein tristes Dasein. Sie sind groß. Und prall. Sehen toll aus. Natürlich. Im englischsprachigen Bereich sind sie zumeist “gorgeous”, also prächtig, traumhaft, wunderschön.
Als Frau bekomme ich bei solchen Klischees leicht das Kotzen. Und das nicht aus Neid. Die Bilder, die in den Köpfen durch solche Beschreibungen geformt werden, sind wirklichkeitsfremd. Sie greifen zu kurz. Statt Individualität zu schätzen, wird Aussehen auf eine bestimmte Norm reduziert. Kein Wunder, wenn Mädchen immer früher zum Schönheitschirurgen rennen – so sie es sich denn leisten können.
Die Frauen trugen wie Alischa samt und sonders ihre Brüste zur Schau und schienen bestätigen zu wollen, was Tim vorhin gesagt hatte: Große Brüste, kleine Brüste, schmale Brüste, breite Brüste, große Höfe, kleine Höfe, flache Brustwarzen, prominente Brustwarzen, kurze Brustwarzen, lange Brustwarzen, Apfel-Brüste, Zitronen-Brüste, Mango-Brüste, jede Art und Form bot sich dem Genuss des geneigten Betrachters dar.
aus: Leo Talberg: Perideis
Noch immer hoffe ich, die erotische Literatur könne ein wenig Wirklichkeit mit ihrer Vielfalt spiegeln. Sind wirklich alle LeserInnen nur dann glücklich, wenn die Protagonistinnen über eine standardisierte Busengröße verfügen? Ich halte das für unwahrscheinlich. Ebenso unwahrscheinlich, wie ich glaube, dass alle Leute im Fernsehen nur die Einheitskost sehen wollen, die ihnen dort täglich serviert wird.
Ich werde mich in den nächsten Tagen intensiv mit der Frage beschäftigen, wie wir Brüste beschreiben können. Wie wir in der erotischen Texten Bilder malen, die mehr bieten als nur Klischees. Bilder, die im Gedächtnis hängenbleiben. Denn soviel ist klar: Eine Beschreibung, die nicht mehr bietet als wertende Lobpreisungen, kann ein/e LeserIn nicht in Gehirn speichern. Im besten Fall ruft ein solcher Text bestehende Bilder ab. Die sind aber bereits verankert, sei es mit Filmen oder im besten Fall mit realen Personen.
Dabei ist es eine Fausregel der Literatur: weg vom Allgemeinen, hin zum Besonderen. Je klarer und eindeutiger Du etwas beschreibst, desto besser erreichst Du die Leser. Desto klarer werden Bilder mit Deinem Text verankert und bleiben so im Gedächtnis. Und ich glaube, dies ist das Ziel jeder Literatur: im Gedächtnis zu bleiben.
Dabei kenne ich durchaus das Argument, mit dem diese wertenden Beschreibungen verkauft werden: Jeder Leser kann sich sein eigenes Bild machen, wenn er von einem “tollen Busen” liest. Nicht jeder steht ja auf die gleichen Formen. Sobald eine Brust eindeutig beschrieben wird, geht im Kopf die Wertung los. Mit allgemeinen Wertungen kann die Autorin dem entgegenwirken.
Für mich klingt das nach einer faulen Ausrede. Einen Busen so zu beschreiben, dass er Lust auf mehr macht, ist Arbeit. Ich werde in den nächsten Tagen ein paar Ansätze beschreiben, werde Links zu Brust-Galerien im Netz posten – und darüber nachdenken, wie wir das, was wir sehen, in Worte fassen können.
Denn machen wir uns nichts vor: Erotische Literatur wird immer expliziter. Das kann sie im Augenblick auch problemlos. Die Zensurbestimmungen sind locker wie nie. Aber anschaulich zu beschreiben, ist ein Handwerkszeug. Und das müssen wir uns aneignen. Also ran ans Werk.