Ein Gespräch mit Sandra Manther über Körper, Scham und weibliche Sexualität
Mit ihrem literarisch-erotischen Kurzroman „Schleim“ wagt sich Sandra Manther an ein Thema, das in der Darstellung weiblicher Sexualität selten Platz findet: die körperliche Abwehr, das Unbehagen, das Schweigen. Ihr Text ist keine glatte Fantasie – sondern eine Erkundung zwischen Lust und Ekel, zwischen Berührung und Selbstverlust. Wir haben mit der Autorin über Scham, Sinnlichkeit und die Kraft ungewohnter Berührungen gesprochen.
Frau Manther, Sie haben Ihrem neuen Buch einen Titel gegeben, den viele mit Abwehr assoziieren: „Schleim“. Warum?
Sandra Manther: Genau deshalb. Weil das Wort sofort eine Reaktion auslöst – ein Stirnrunzeln, ein innerliches Wegziehen. Dabei ist Schleim etwas Alltägliches. Etwas zutiefst Körperliches. In der Sexualität – vor allem in der weiblichen – ist er ständig präsent, aber fast nie sprachlich sichtbar. Und wenn doch, dann als etwas, das entfernt werden soll. Mich hat interessiert, was passiert, wenn man ihn nicht ausklammert, sondern in den Mittelpunkt stellt.
Ihre Protagonistin Stella verliert im Laufe der Geschichte ihre Abwehr gegen genau diese Körperlichkeit. Was macht sie für Sie als Figur aus?
Sandra Manther: Stella hat – wie viele – verinnerlicht, dass Lust vor allem kontrolliert, sauber und harmonisch ablaufen soll. Aber ihr Körper spielt da nicht mit. Er reagiert, wo sie nichts will. Er produziert, wo sie sich schämt. Das ist keine Pathologie. Das ist Realität. Ich wollte eine Figur schreiben, die diese Widersprüche nicht sofort auflöst, sondern aushält. Die sich dem Ekel stellt, statt ihn wegzutherapieren.
In einer besonders eindrücklichen Szene begegnet Stella ihrer eigenen Lust durch – Schnecken. Das klingt zunächst irritierend.
Sandra Manther: (lacht) Ja, das war auch meine Absicht. Ich wollte ein Tier, das nicht aggressiv ist. Das keine Sexualität „macht“, sondern sich einfach bewegt. Langsam. Feucht. Ohne Urteil. Die Schnecke ist für mich fast ein Gegenbild zu allem, was wir mit Sexualität assoziieren: kein Blick, kein Ziel, keine Ästhetik. Und gerade deshalb bringt sie etwas in Bewegung.
Ihr Text ist sehr explizit – und zugleich zärtlich, beinahe nüchtern. Wie haben Sie die Balance gefunden?
Sandra Manther: Ich wollte nicht erregen, sondern ernst nehmen. Nicht ins Vulgäre kippen, aber auch nicht verschleiern. Mein Anspruch war: den weiblichen Körper in seiner Widersprüchlichkeit zeigen, ohne ihn zu bewerten. Also keine Bewertungen wie „schön“, „geil“, „perfekt“ – sondern: Was ist da? Wie fühlt sich das an? Wie reagiert Haut auf Feuchtigkeit, Muskeln auf Spannung, eine Vulva auf Wärme?
Was hoffen Sie, dass Leser:innen aus „Schleim“ mitnehmen?
Sandra Manther: Vielleicht den Mut, den eigenen Körper nicht ständig zu korrigieren. Vielleicht auch den Impuls, sich selbst zuzuhören – nicht nur kognitiv, sondern sensorisch. Und im besten Fall: das Wissen, dass auch etwas scheinbar Ekliges eine Tür zur Nähe sein kann.
Vielen Dank für das Gespräch.
Über das Buch
Sandra Manther – Schleim
Ein literarisch-erotischer Kurzroman über weibliche Körperlichkeit, sinnliche Grenzerfahrungen und den Versuch, Lust jenseits von Klischees zuzulassen.
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