Dirty Diaries Manifesto

Es hat eine Weile gedauert, bis ich begriff, dass es neben der PorNo-Kampagne von Alice Schwarzer auch einen positiven feministischen Ansatz der Pornografie gibt. Natürlich bin ich hellhörig geworden.

Wobei an dieser Stelle wahrscheinlich wieder eine Begriffsklärung nötig ist. Marc und ich gehen auf unserer Website davon aus, dass es sich bei Pornografie um aus dem emotionalen, psychologischen Kontext gerissene explizite Darstellungen von Sexualität um ihrer selbst willen handelt.

Dies gründet sich auf unseren Erfahrungen mit Pornografie: Darsteller/Innen wie auch Darstellung ist genormt; eine Rahmenhandlung, wenn überhaupt, dann nur in Alibifunktion vorhanden. Die Frauen sind dauerwillig, die Männer dauerhart. Übereinstimmungen mit der Realität sind rein zufällig und in keiner Weise beabsichtigt.

Umso spannender fanden wir das “Dirty Diaries Manifesto” der Schwedin Mia Engberg, das sie 2009 als Grundlage für eine Reihe von ihr produzierter erotischen Kurzfilme nutzte, vergleichbar in seiner Radikalität ev. dem dänischen Dogma 95-Manifest. Interessant dabei ist, dass Engbergs feministische Pornosammlung vor allem durch das Schwedische Filminstitut finanziert, letztlich also staatlich gefördert wurde.

Dieses Manifest zeigt einen neuen, feministischen Zugang zur expliziten Darstellung von Sexualität. Mia Engberg formuliert hier aus, was für mich beim Schreiben des Erotischen Tagebuchs der Marion F. unausgesprochen als Idee im Hintergrund schwebte. Ich hoffe, Mia hat nichts dagegen, wenn ich dieses Manifest auf dieser Seite übersetze und so auch in Deutschland zu einer breiteren Öffentlichkeit verhelfe. Ich tue das deswegen, weil ich es für wegweisend halte (und verweise, weil jeder Künstler Geld zum Überleben und kreativen Arbeiten braucht, an dieser Stelle noch mal auf die DVD mit den 12 Kurzfilmen, Dirty Diaries (Region 2) [Schweden Import])

Das Dirty Diaries Manifesto in deutscher Übersetzung:

1. Schön wie wir sind

Zum Teufel mit den kranken Schönheitsidealen. Tiefer Selbsthass untergräbt die weiblicher Energie und Kreativität vieler Frauen. Diese Energie, die wir dafür nutzen könnten, unsere Sexualität und Kraft zu erforschen, wird in Diäten und Kosmetika abgeleitet. Lasst nicht zu, dass kommerzielle Kräfte eure Bedürfnisse und Wünsche kontrollieren.

2. Kämpfe für dein Recht, geil zu sein

Männliche Sexualität wird als Naturgewalt angesehen, die um jeden Preis befriedigt werden muss, während weibliche Sexualität nur dann akzeptiert wird, wenn sie mit den Bedürfnissen der Männer konform geht. Sei geil zu deinen eigenen Bedingungen.

3. Ein gutes Mädchen ist ein böses Mädchen

Wir wurden mit dem kulturellen Klischee großgezogen, dass sexuell aktive und unabhängige Frauen entweder verrückt oder lesbisch und deswegen verrückt sind.  Wir wollen Filme sehen und machen, in denen Betty Blue, Ophelia und Thelma & Louise am Ende nicht sterben müssen.

4. Zerschlagt Kapitalismus und Patriarchat

Die Pornoindustrie ist sexistisch, weil wir in einer patriarchalen kapitalistischen Gesellschaft leben. Sie schlägt Profit aus den Bedürfnissen der Menschen nach Sex und Erotik und Frauen werden in dem Prozess ausgebeutet. Um sexistischen Porno zu bekämpfen, musst du Kapitalismus und Patriarchat zerschlagen.

5. So anstößig, wie wir sein wollen

Genieße, übernimm die Führung oder lass dich gehen. Sage NEIN, wenn du willst, damit du Ja sagen kannst, wenn DU willst.

6. Legale und freie Abtreibung ist ein Menschenrecht!

Jeder hat das Recht auf Kontrolle über den eigenen Körper. Millionen Frauen jedes Jahr leiden an ungewollten Schwangerschaften und sterben durch illegale Abtreibungen. Schluss mit dem moralischen Recht, gegen Geburtenkontrolle und sexuelle Aufklärung zu predigen.

7. Kämpfe gegen den wirklichen Feind!

Durch Zensur kann Sexualität nicht liberalisiert werden. Es ist unmöglich, das Bild weiblicher Sexualität zu ändern, wenn sexuelle Bilder selbst tabuisiert werden. Greif keine Frauen an, die Sex zur Schau stellen. Greif Sexismus an, weil er versucht, unsere Sexualität zu kontrollieren.

8. Bleib queer

Ein Großteil der Gegner von Erotik ist homophob und häufiger sogar transphob. Wir glauben nicht an den Kampf zwischen den Geschlechtern, wohl aber an den Kampf gegen die Geschlechter. Identifiziere dich mit jedem Geschlecht, das du willst und liebe, wen du willst. Sexualität ist vielseitig.

9. Benutze Kondome

“I’m not saying go out an’ do it, but if you do, strap it up before you smack it up.” (Missy Elliott)

Etwa: “Ich sage nicht: ‘Geh raus und tu es’, aber wenn du es tust, streif dir was über, bevor du dir was einfängst.”

10. Do it yourself

Erotik ist gut und wir brauchen sie. Wir glauben wirklich, dass es möglich ist, eine Alternative zur Mainstream Porno Industrie zu erschaffen, indem wir die sexy Filme machen, die wir mögen.

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