Der “Naked Mile” war eine berüchtigte Tradition an der University of Michigan in Ann Arbor, bei der Studierende am letzten Vorlesungstag des Frühjahrssemesters nackt über den Campus liefen. Die Veranstaltung erreichte ihren Höhepunkt in den 1990er Jahren, wurde jedoch in den frühen 2000ern eingestellt. Hier ist eine historische Einordnung:

Ursprung und Entwicklung

• Erste Veranstaltung: Am ersten Lauf, der 1986 stattfand, waren etwa 30 männliche Sportler der Lacrosse- und Rudermannschaften der UMich beteiligt.
• Initiatoren: Es gibt keine klar benannten Gründer. Die Tradition scheint jedoch spontan aus der Studentenbewegung hervorgegangen zu sein, die von einer Kombination aus Protestkultur, Feierlichkeiten zum Semesterende und jugendlichem Spaß geprägt war.
• Greek Life: Obwohl Mitglieder von Greek Life (Studentenverbindungen und Schwesternschaften) sicherlich teilnahmen, war der Naked Mile keine offiziell von ihnen initiierte Veranstaltung. Vielmehr handelte es sich um eine informelle Tradition, die von der allgemeinen Studentengemeinschaft getragen wurde.

Höhepunkte der Tradition

In den 1990er Jahren zog der Naked Mile Hunderte von Teilnehmern und oft Tausende von Zuschauern an, darunter auch viele Außenstehende. Es wurde ein Symbol für den Übergang vom Studium in die Sommerferien, begleitet von einer Atmosphäre aus Freiheit, Spaß und Exhibitionismus.

Reine Nacktheit war die Norm

• Die meisten Teilnehmer liefen vollständig nackt, was den Lauf zu einer spektakulären und umstrittenen Veranstaltung machte.
• Einige nutzten minimalen Körperschmuck, wie bemalte Körperteile, oder Accessoires wie Masken, um sich teilweise zu „verkleiden“ oder anonym zu bleiben.

Ausnahmen und Entwicklungen

• Schüchterne Teilnehmer: Einige Studierende entschieden sich dafür, in Unterwäsche, Badeanzügen oder leichter Bekleidung mitzumachen, vor allem in den späteren Jahren, als die Tradition zunehmend unter Beobachtung stand.
• Maskierung und Kreativität: Ab den 1990er Jahren trugen viele Teilnehmer Masken oder Kostüme, um ihre Identität zu verschleiern. Dies geschah teils aus Scham, teils aus Furcht vor späterer Identifikation (besonders in der Ära der Internetvideos).

Warum die Betonung auf Nacktheit?

Die Tradition betonte eine Art von Freiheit und Rebellion, die für College-Kultur typisch war. Der Fokus auf Nacktheit war zentral, weil er ein öffentliches Tabu brach – eine Form von kollektivem Spaß und einem „Egal, was andere denken“-Gefühl.

Übergang zum Unterwäschelauf?

Nach 2001, als die Polizei und die Universität verstärkt gegen den Naked Mile vorgingen, wandelte sich die Veranstaltung:

• Einige kleinere Nachfolgeveranstaltungen waren eher Unterwäscheläufe, da die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung durch vollständige Nacktheit zu groß wurde.
• Das ursprüngliche Element des „nackt seins“ verlor damit seine Bedeutung, was zum endgültigen Ende der Tradition beitrug.

Kontroversen und das Ende

• Rolle des Internets: Die Verbreitung von Kameratechnologie und das Aufkommen des Internets hatten einen entscheidenden Einfluss auf das Ende des Naked Mile. Viele Läufer wurden ohne ihre Zustimmung gefilmt, und die Videos landeten auf einschlägigen Websites, oft mit voyeuristischen oder pornografischen Absichten.
• Polizeieingriffe: Ab etwa 2000 erhöhte die Polizei ihre Präsenz. Nachdem eine Gruppe von Einwohnern Livonias einen Beschwerdebrief an die Generalstaatsanwältin von Michigan, Jennifer Granholm, geschickt hatte, kündigte die AAPD (Ann Arbor Police Department) an, dass sie wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses Festnahmen vornehmen und die Polizeipräsenz erhöhen werde. 2000 war das erste Jahr, in dem die AAPD mehrere Studenten wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet hat, was als kriminelles Sexualverhalten gilt. Personen, die wegen sexueller Belästigung angeklagt sind, können verpflichtet werden, sich in das nationale Register für Sexualstraftäter einzutragen. Dies führte zu einem Rückgang der Teilnehmerzahlen.
• Letzter offizieller Lauf: Der Naked Mile fand 2001 das letzte Mal in größerem Umfang statt. Danach gab es zwar sporadische Versuche, die Tradition fortzuführen, jedoch in viel kleinerem Rahmen.

Der Naked Mile spiegelte die sich wandelnden kulturellen und technologischen Realitäten wider. Was als unschuldige Feier begann, endete in einer Ära, in der Überwachung und die Verbreitung persönlicher Daten massiv zunahmen. Der zunehmende Druck durch das Internet und die Strafverfolgung sorgte schließlich für das Ende dieser einzigartigen Tradition.
Während die Teilnehmer anfangs nahezu ausschließlich nackt liefen, wurde dies im Laufe der Jahre weniger einheitlich. Die Kombination aus wachsender Beobachtung, Sicherheitsbedenken und strafrechtlichen Konsequenzen führte schließlich dazu, dass der Lauf eher eine symbolische Version seines ursprünglichen Selbst wurde – bevor er schließlich ganz verschwand.