Stereotype durchbrechen: Der Mund in der modernen erotischen Literatur

Wer heute erotische Literatur schreibt, steht vor einer spannenden Herausforderung: Wie können wir Erotik abseits überholter Geschlechterklischees erschaffen? Lass uns einen genaueren Blick darauf werfen, wie du in deinen Texten neue Wege gehen kannst.

Die Last der Tradition

Traditionell wurde der weibliche Mund oft auf passive Eigenschaften reduziert: “weiche Lippen”, “der sanft geschwungene Mund”, “einladend geöffnete Lippen”. Der männliche Mund hingegen erschien als aktiver Eroberer: “fordernd”, “bestimmend”, “unnachgiebig”. Diese Beschreibungen spiegeln veraltete Machtverhältnisse wider und schränken das erotische Potenzial deiner Charaktere unnötig ein.

Neue Perspektiven eröffnen

Stattdessen kannst du:

  • Die Aktivität deiner Charaktere von ihrem Geschlecht entkoppeln
  • Machtverhältnisse flexibel und situationsabhängig gestalten
  • Traditionell “männliche” und “weibliche” Attribute frei mischen

Beispiel alt: “Seine fordernden Lippen eroberten ihren weichen, nachgiebigen Mund.”
Beispiel neu: “Ihre Lippen forderten eine Antwort, und sein Mund gab sich ihr bereitwillig hin.”

Agency durch Sprache

Achte besonders auf die Verben, die du verwendest. Statt “ihr Mund wurde geküsst” schreibe “sie küsste”. Statt “ihre Lippen öffneten sich unter seinen” beschreibe, wie “sie ihre Lippen öffnete, um ihn zu kosten”. Mache alle deine Charaktere zu aktiven Teilnehmenden ihrer erotischen Begegnungen.

Jenseits des Binären

Denke auch über das binäre Geschlechtersystem hinaus:

  • Wie beschreibst du den Mund einer nicht-binären Person?
  • Welche neue Spannung entsteht, wenn du bewusst auf geschlechtsspezifische Zuschreibungen verzichtest?
  • Wie können androgyne Beschreibungen die erotische Spannung steigern?

Macht neu denken

Dominanz und Unterwerfung müssen nicht an Geschlechterrollen gebunden sein. Eine Figur kann:

  • In einem Moment dominant, im nächsten submissiv sein
  • Ihre Macht durch Zurückhaltung ausüben
  • Stärke in der bewussten Hingabe finden

Praktische Übung

Nimm eine bereits geschriebene erotische Szene und:

  1. Tausche die Geschlechter der Beteiligten
  2. Überprüfe, ob die Beschreibungen noch “natürlich” wirken
  3. Falls nicht: Warum? Welche Vorannahmen stecken in deiner Beschreibung?
  4. Überarbeite die Szene, bis sie in beiden Varianten überzeugt

Die Kunst der Balance

Feministische erotische Literatur bedeutet nicht, dass du komplett auf traditionelle Beschreibungen verzichten musst. Es geht darum:

  • Bewusste Entscheidungen zu treffen
  • Klischees gezielt einzusetzen oder zu brechen
  • Allen Figuren ihre eigene sexuelle Handlungsmacht zu geben

Moderne erotische Literatur kann sowohl sinnlich als auch emanzipatorisch sein. Deine Aufgabe als Autor:in ist es, einen Raum zu schaffen, in dem verschiedene Formen von Begehren und Macht gleichberechtigt existieren können.


Schreibtipp: Erstelle eine Liste von Adjektiven und Verben, die du häufig für Mundbeschreibungen verwendest. Markiere sie nach “traditionell männlich” und “traditionell weiblich”. Experimentiere dann damit, diese Zuschreibungen bewusst zu durchbrechen. Was entstehen dabei für neue, spannende Bilder?

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