Der Miller-Test: Prüfstandard für Obszönität

Der Miller-Test ist ein bedeutender rechtlicher Standard, der in den USA verwendet wird, um zu entscheiden, ob ein Werk obszön ist und daher nicht durch den Ersten Verfassungszusatz (die Redefreiheit) geschützt wird. Der Test stammt aus dem bahnbrechenden Fall Miller v. California von 1973, der die Kriterien für Obszönität festlegte und einen präziseren Rahmen für Zensur und die strafrechtliche Verfolgung obszöner Materialien schuf.

1. Hintergrund des Miller-Falls

Der Fall Miller v. California betraf den Verleger Marvin Miller, der Werbematerialien für pornografische Filme und Bücher per Post verschickt hatte. Diese Materialien wurden von den Empfängern als anstößig empfunden, woraufhin Miller nach den geltenden kalifornischen Obszönitätsgesetzen angeklagt wurde. Millers Verteidigung argumentierte, dass seine Werke durch den Ersten Verfassungszusatz, der die Meinungsfreiheit schützt, gedeckt seien. Der Fall wurde bis zum Obersten Gerichtshof der USA weitergeführt, der sich auf eine Neudefinition von Obszönität festlegte.

2. Der Miller-Test

Der Miller-Test legt drei Kriterien fest, die erfüllt sein müssen, damit ein Werk als obszön und somit nicht durch die Redefreiheit geschützt gilt:

  1. Prüfung der Gemeinschaftsstandards: Das Werk muss in seiner Gesamtheit, gemäß den zeitgenössischen lokalen Gemeinschaftsstandards, so beschaffen sein, dass es das durchschnittliche Mitglied der Gemeinschaft dazu bringt, obszöne sexuelle Begierden zu erregen (im Original: „appeals to the prurient interest“).
  2. Offensichtlich anstößige Darstellung: Das Werk muss auf eine offensichtlich anstößige Weise sexuelle Handlungen oder Funktionen beschreiben oder darstellen, wie sie in den Gesetzen des jeweiligen Staates festgelegt sind.
  3. Mangel an literarischem, künstlerischem, politischem oder wissenschaftlichem Wert: Das Werk darf in seiner Gesamtheit keinen ernsthaften literarischen, künstlerischen, politischen oder wissenschaftlichen Wert haben (oft als „SLAPS-Test“ bezeichnet, basierend auf den Anfangsbuchstaben von „serious literary, artistic, political, or scientific value“).

3. Bedeutung des Miller-Tests

Der Miller-Test präzisierte frühere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, die versucht hatten, Obszönität zu definieren, aber oft zu vage waren. Mit diesem dreiteiligen Test wurde die Entscheidung über Obszönität auf lokale Gemeinschaftsstandards heruntergebrochen, was dazu führte, dass verschiedene Gemeinschaften unterschiedliche Maßstäbe anlegen können. Dies erlaubte konservativeren Gemeinden, strenger gegen obszöne Inhalte vorzugehen, während liberalere Gegenden möglicherweise großzügigere Standards anwenden konnten.

4. Anwendung des Miller-Tests in der Praxis

Seit der Entscheidung im Fall Miller v. California wird der Test in zahlreichen Gerichtsverfahren angewendet, die die Verbreitung obszöner Materialien betreffen. Hier einige Aspekte der praktischen Anwendung:

  • Variierende Gemeinschaftsstandards: Da der Test auf lokalen Standards basiert, können unterschiedliche Gemeinden in den USA zu unterschiedlichen Urteilen kommen. Was in einer Gemeinschaft als obszön gilt, könnte in einer anderen als zulässig betrachtet werden.
  • Schutz ernsthafter Kunst und Literatur: Werke, die nach dem Miller-Test als obszön gelten, werden nur dann nicht bestraft, wenn sie ernsthafte literarische, künstlerische, politische oder wissenschaftliche Bedeutung haben. Diese Ausnahme ist ein entscheidender Schutzmechanismus für künstlerische und intellektuelle Ausdrucksformen.
  • Praktische Herausforderungen: Die Anwendung des Miller-Tests ist oft nicht einfach, da Richter und Jurys subjektiv über Gemeinschaftsstandards und den künstlerischen oder literarischen Wert eines Werks entscheiden müssen. Dadurch bleibt der Test in vielen Fällen umstritten.

5. Kritik und Kontroversen um den Miller-Test

Der Miller-Test hat in der amerikanischen Rechtsprechung zu Obszönität einige Kontroversen ausgelöst:

  • Subjektivität und Ungleichheit: Kritiker des Tests argumentieren, dass die Abhängigkeit von „lokalen Gemeinschaftsstandards“ zu einer Ungleichheit in der Rechtsprechung führt, da in verschiedenen Teilen des Landes sehr unterschiedliche Ansichten darüber bestehen, was obszön ist.
  • Einschränkung der Meinungsfreiheit: Einige Befürworter der Redefreiheit argumentieren, dass der Test zu restriktiv sei und künstlerische oder literarische Werke in Gefahr bringen könnte, zensiert zu werden, selbst wenn sie bedeutenden kulturellen Wert haben.
  • Veränderung von Normen: Die zeitgenössischen Gemeinschaftsstandards verändern sich im Laufe der Zeit. Was in den 1970er Jahren als obszön galt, könnte heute akzeptiert werden. Diese sich verändernden Normen machen den Test dynamisch, aber auch schwer vorhersehbar.

6. Bedeutung des Miller-Tests

Der Miller-Test hat das Verständnis und die rechtliche Definition von Obszönität in den USA tiefgreifend verändert. Er bietet einen klareren, aber dennoch umstrittenen Rahmen für die Bestimmung, welche Werke von der Redefreiheit ausgenommen und strafrechtlich verfolgt werden können. Der Test ist eine der zentralen rechtlichen Grundlagen für die Zensur von Pornografie und obszönen Materialien, die sowohl für Autoren, Verleger, Filmemacher als auch für die Gerichte eine wichtige Rolle spielt.

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