Nackt in der Öffentlichkeit 2: Nacktheit als Form des Protests (FEMEN)

Am 11. März 2013 veröffentlichte die Tunesierin Amina Sbouï ein Selbstporträt mit nacktem Oberkörper auf ihrer Facebookseite. „Mein Körper gehört mir und ist nicht die Quelle von irgendjemandes Ehre“, hatte sie auf ihren nackten Oberkörper geschrieben. Damit löste sie im islamisch geführten Tunesien eine wütende Kontroverse aus. Sie erhielt Todesdrohungen. Ein Salafisten-Prediger forderte öffentlich 100 Peitschenhiebe und die Steinigung für sie. In einer Talkshow erklärte sie später, sie habe sich nicht aus sexuellen Gründen oben ohne gezeigt, sondern um die Befreiung der Frau einzufordern.

Bereits zwei Jahre zuvor hat die ägyptische Bloggerin Aliaa Magda Elmahdy Fotos von sich veröffentlichte, auf denen sie – bis auf rote Schuhe und halterlose Strümpfe – nackt war. Für sie waren diese Fotos „Schreie gegen eine Gesellschaft voller Gewalt, Rassismus, Sexismus, sexueller Belästigung und Heuchelei“. Auch sie erhielt Todesdrohungen, die sie zwangen, sich zu verstecken und schließlich nach Schweden zu flüchten.

Beide Frauen sind Aktivistinnen der FEMEN-Bewegung, die ihren Ursprung in der Ukraine nahm. Sextremismus nennen die Frauen ihre Form des gewaltlosen Widerstands. Ihr Hauptanliegen ist die Befreiung der Frauen von Sexismus und Patriarchat. Nacktheit ist ihr typisches Protestmittel.

Dabei waren ihre Ziele zunächst regional begrenzt. In ihrer ersten Phase 2008-2011 ging es ihnen um die Rechte der ukrainischen Frauen, um wirtschaftliche und politische Themen, wie Sextourismus, Armut, ungleichen Zugang zu Arbeitsplätzen und höherer Bildung, sowie die mangelnde Beteiligung von Frauen an der ukrainischen Regierung und an Führungspositionen. Ihre nackten Brüste waren oft mit den Farben der Ukraine bemalt.

Nach 2011 berichteten immer mehr Medien über die FEMEN-Aktionen und ihre Ideen fanden globale Befürworterinnen und Mitstreiterinnen. Ihren nackten Körper als aktives Instrument einzusetzen, um sich dem Patriarchat entgegenzustellen, war ein völlig neuer Ansatz, die sexistischen Waffen des Patriarchats gegen sich selbst einzusetzen. Das Spiel mit den stereotypen Codes wurde zum Weg, die männlichen Vorstellungen über das Wesen der weiblichen Sexualität ad absurdum zu führen.

Nacktheit in der Öffentlichkeit ist ein Schritt, aus den patriarchalen Strukturen auszubrechen, die den weiblichen Körper zu definieren und kontrollieren versuchen. Der Körper wird so zu einer gewaltlosen Waffe, zum Ort und Mechanismus des Protestes.

Um es mit ihren eigenen Worten zu sagen: „Die nackten Angriffe von FEMEN sind der nackte Nerv des historischen Konflikts zwischen Frau und System, seine visuellste und angemessenste Illustration. Der nackte Körper der Aktivistin ist der unverhohlene Hass auf die patriarchalische Ordnung und die neue Ästhetik der Frauenrevolution.“

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