Ted Bundy und die Sororities

Dreissig Morde gestand Ted Bundy nach seiner Inhaftierung Februar 1978. Angeklagt war er wegen 36. Daneben erwähnte er gegenüber verschiedenen Personen weitere Morde, zu denen er jedoch keine genaueren Angaben machte. In den berühmten Ted-Bundy-Tapes, einer Reihe von Kassetten-Aufnahmen, die die Grundlage für die seit Januar 2019 auf Netflix zu sehende Dokumentation “Ted Bundy: Selbstporträt eines Serienmörders (Conversations with a Killer: The Ted Bundy Tapes) bilden, redete er einmal gar davon, mehr als 100 Frauen in 6 Bundesstaaten getötet zu haben.

Alle seine Opfer waren jung, die meisten zwischen 18 und 24 Jahren alt, in der Mehrzahl Studentinnen. Da Bundy sich viel in Universitätsstädten aufhielt, ist nicht verwunderlich, dass sich unter den Opfern auch diverse Sorority-Mitglieder befanden.

Georgann Hawkins – Kappa Alpha Theta an der University of Washington

Foto von Georgann Hawkins, einem der ersten Opfer Ted Bundys.
Georgeann Hawkins

Eines der ersten Opfer Ted Bundys war Georgann Hawkins. Sie studierte Rundfunkjournalismus im ersten Semester an der University of Washington in Seattle. 157cm groß, lange braune Haare, braune Augen, ein kleines Muttermal im Nacken. Sie war Mitglied von Kappa Alpha Theta und gerade auf dem Weg zurück von ihrem Freund nach Hause zum Wohnheim ihrer Verbindung, als ihr Bundy begegnete.

Sie trug an diesem Abend ein weißes, rückenfreies T-Shirt, eine geblümte, langärmelige Bluse, die sie vorn zusammengeknotet hatte und eine navy-blaue Schlaghose, wie sie in den 70er Jahren üblich war. Ursprünglich war sie auf einer Frat-Party gewesen, die sie zusammen mit einer Freundin verließ. Auf dem Rückweg kam sie jedoch am Wohnheim ihres Freundes Marvin vorbei und ging noch auf einen Sprung zu ihm hinein, während ihre Freundin die hundert Meter zu ihrem eigenen Wohnheim allein weiterlief.

Bundy war auf Krücken unterwegs. Nicht, weil er Probleme mit dem Gehen hatte, sondern weil er sein Opfer in falscher Sicherheit wiegen wollte. Es war eine Masche von ihm, sich einen falschen Gipsverband überzustreifen und seine Opfer um Hilfe zu bitten, etwa, indem er seine Aktentasche oder ein paar Bücher fallen ließ.

Auch Georgeann war hilfsbereit, was sie mit ihrem Leben bezahlte. Bundy bat sie, ihm beim Tragen seiner Aktentasche zu helfen und lockte sie so zu seinem Wagen, der sich ein paar Seitenstraßen weiter auf einem dunklen Parkplatz befand. Mit einem Brecheisen, das er neben dem Wagen deponiert hatte, schlug er ihr so hart über den Kopf, dasss sie beide Ohrringe und einen Schuh verlor. Schließlich zerrte er die bewusstlose Studentin in seinen VW-Käfer, dessen Beifahrersitz er herausgenommen hatte, so dass sein Opfer, am Boden liegend, von anderen Fahrzeugen aus nicht zu sehen war.

Um sie am Fliehen zu hindern, legte er ihr Handschellen an. Während er mit ihr davonbrauste, soll sie wieder zu Bewusstsein gekommen sein, erzählte Bundy kurz vor seiner Hinrichtung. Sie habe von einer Spanisch-Prüfung erzählt, die sie am folgenden Tag abzulegen hätte. Er habe ihr erneut einen Schlag auf den Kopf versetzt und sei mit ihr über den Freeway östlich von Issaquah gefahren, wo er sie auf einer einsamen Grasfläche schließlich erwürgte.

Auffallend ist, dass Ted Bundy sich offensichtlich in der sog. Greek Row herumgetrieben und auf ein Opfer gewartet hatte. Zur Greek Row gehörten neben dem Haus von Kappa Alpha Theta noch die Wohnheime zweier anderer Sororities, sowie drei Frat-Häuser – unter anderem das von Georganns Freund Marvin, dem Beta Theta Pi. Bundy war mit den Krücken, dem falschen Gipsbein und der neben dem Wagen deponierten Brechstange komplett für ein Verbrechen ausgerüstet. Lediglich eine weniger als 100 Meter lange, hell erleuchtete Gasse trennte die beiden Gebäude. Das es ausgerechnet Georgann Hawkins traf, wird in diesem Zusammenhang eher Zufall gewesen sein.

Quellen:
Criminal Misconduct, vom 11. Juni 2018
Kevin M. Sullivan: The Bundy Murders: A Comprehensive History
Deseret News, vom 02. April 1989

Das Chi Omega Massaker

Das Massaker, das Ted Bundy im Verbindungshaus der Chi Omega-Schwesternschaft an der Florida State University in Tallahassee veranstaltete, wäre zu verhindern gewesen. Denn eigentlich war Bundy längst inhaftiert. Allerdings gelang ihm die Flucht. Sogar zwei Mal. 14 Tage lang war er nach seinem Ausbruch aus dem Gefängnis in Glenwood Springs auf freiem Fuß, als er im Chi Omega Wohnhaus einstieg.

In den frühen Morgenstunden des 15. Januar 1978 betrat Bundy das Wohnheim der Chi Omega Sorority durch eine Hintertür, deren Schließmechanismus defekt war. Dies ist die Episode, an die Louisa in der Gamma Xi Delta-Novelle “Testphase” sich erinnert:

Wenn es nicht Arvid ist, der mich hier im Zimmer aufsucht, wer ist es dann? Die Vermutung liegt nache: ein Vergewaltiger, der sich Zugang zu den Schlafräumen verschafft hat. Für ihn muss doch ein Schwesternwohnheim sein wie ein Besuch im Vergnügungspark. Sofort schießen die Bilder in meinen Kopf, wie der Serienmörder Ted Bundy eines Nachts in das Verbindungshaus der Chi Omega Sorority eindringt und dort ein regelrechtes Massaker veranstaltet.
Ich weiß nicht, warum ich mir diesen Film über Bundy angesehen habe. Jetzt verfluche ich mich dafür. Denn natürlich sind die Szenen, an die ich ewig nicht mehr gedacht habe, wieder präsent. Marc Harmon, wie er sich in einer Winternacht einen Holzscheit greift, die Treppe hinaufschleicht, leise eine Tür öffnet. Eine Sorority-Schwester liegt nichtsahnend im Bett. Und das Massaker nimmt seinen Lauf.
Einem der Mädchen, das er in dieser Nacht überfiel, hatte er so fest in die Brustwarze gebissen, dass ihr Warzenhof fast abgetrennt wurde. Die meisten Quellen erwähnen allerdings lediglich einen Biss in den Hintern des Mädchens, der jedoch so tief drang, dass die Forensiker anhand dessen einen Gebissabdruck rekonstruieren konnten.

Anschließend vergewaltigte Bundy das Mädchen mit einer Flasche Haarspray. Sie und eine weitere Studentin überlebten den brutalen Überfall nicht. Zwei andere Schwestern, die er ebenfalls stark misshandelt hatte, konnten schwer verletzt gerettet werden.

aus: Sandra Manther: Testphase

Bei den beiden jungen Frauen, die Ted Bundy mit einem Eichenscheit bewusstlos geschlagen und anschließend erwürgt hatte, handelte es sich um Lisa Levy und Margaret Bowman. Margaret Elisa Bowman war eine 21jährige Junior-Studentin aus St. Petersburg, die an der FSU Kunstgeschichte studierte. Und Lisa Levy, 20, befand sich in ihrem ersten Studienjahr als Textilkauffrau (fashion merchandising).

Lisa Levy und Margaret Bowman, zwei Studentinnen von Chi Omega an der FSU

Direkt anschließend betrat er die Zimmer von Kathy Kleiner und
Karen Chandler, die er ebenfalls beide mit dem Holzscheit traktierte und ihnen dabei die Kiefer brach. Karen verlor bei dem Angriff ein paar Zähne. Einer ihrer Finger wurde zerschmettert. Allerdings überlebten beide schwer verletzt.

Da beide Frauen von Bundy im Schlaf überrascht wurden, haben sie keine klaren Erinnerungen an die Tat. Karen Chandler berichtete später vor Gericht, sie sei gegen Mitternacht ins Bett gegangen. Das nächste, woran sie sich erinnerte, war, dass sie zu einem Krankenwagen geführt wurde. Und auch Kathy Kleiner weiß nur noch, dass sie gegen halb zwölf ins Bett gegangen sei. Und später die Aufregung nach dem Überfall. Sie habe nach ihrem Pastor und ihrem Freund David gefragt.

Die einzige Person, die den Täter Ted Bundy im Wohnheim der Chi Omega Sorority gesehen hatte, war Nita Jane Neary. Als sie um kurz vor halb 3 Uhr in der Früh nach Hause kam, hörte sie Bundy gerade die Treppe herunterkommen. Seine Mütze tief ins Gesicht gezogen, hielt er in der Hand noch immer den Holzscheit, den er mit einer Socke umwickelt hatte.

Vier Wochen später wurde Ted Bundy gefasst und vor Gericht zum Tode verurteilt. Er wurde unter anderem durch zahnärztliche Gutachten zu den Bissspuren an den Opfern überführt. Seine Hinrichtung fand am 24. Januar 1989 statt. Noch immer gilt er als einer der skrupellosesten Massenmörder der amerikanischen Geschichte.

Quellen:
Tallahassee Democrat, vom 16. Januar 1978
The Evening Independent, vom 10. Juli 1979

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