Emotionen – die Triebfeder hinter jeder Handlung

Lecter: Was tut er, dieser Mann, den Sie suchen?
Clarice: Er tötet Frauen.
Lecter: Nein, das ist nebensächlich. Was ist das Vordringliche bei all seinem Tun? Die Frage ist, welche Bedürfnisse er durch Töten befriedigt.
Clarice: Abreaktion der Wut … Versuch gesellschaftlicher Anerkennung. .. und Überwindung sexueller Frustration.

(Ted Tally: Das Schweigen der Lämmer)

Triebfeder Emotionen

Alle Handlungen lassen sich auf Emotionen zurückführen. Emotionen sind unsere Triebfeder. Wir tun Dinge, um unseren Emotionen ein Ventil zu geben. Oder um unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Immer steht dahinter der Wunsch: Wir wollen uns besser fühlen, gut fühlen.

Wenn wir im Creative Writing eine Person handeln lassen, wird die grundlegende Frage immer sein: Aus welchen Emotionen heraus handelt sie? Wir brauchen dieses Wissen, um den Protagonisten zu verstehen. Um ihn glaubhaft zu gestalten.

Handlung versus Emotion

Reicht es nicht zu zeigen, wie der Protagonist handelt? Nein. Weil Leser ein emotionales Erlebnis suchen. Werden sie nur mit den Fakten der Handlung konfrontiert, rauscht das Geschehen an ihnen vorbei. Emotionen sind universell. Jeder kennt sie. Jeder hat sie erfahren. Jeder kann sich identifizieren. Und je stärker sich ein Leser identifiziert, desto stärker wirkt das Buch auf ihn.

So wie es Hannibal Lecter in Das Schweigen der Lämmer beschreibt. Die allerwenigsten Leser sind Massenmörder. Aber jeder kennt das Gefühl der Wut, die Suche nach Akzeptanz oder das Gefühl der Frustration. Das Unmenschliche wird auf das Menschliche runtergebrochen. Und auf diese Weise nachvollziehbar.

Gerade hier setzt die Kunst an. Wie machen wir diese Gefühle erlebbar? Wie beschreiben wir das wirre Gefühl in uns?

Emotionen nachvollziehbar machen

Um eine Emotion nachvollziehbar zu machen, bedarf es vor allem eines klar nachvollziehbaren Ausgangsimpulses. Die körperlichen und körpersprachlichen Reaktionen unserer Protagonisten bleiben ohne adäquate Impulse melodramatisch. Ich erinnere mich an eine Autorin von Regionalkrimis, die gut in der Lage ist, die emotionalen Reaktionen ihrer Protagonisten zu beschreiben, die jedoch immer wieder beim Lesen das Gefühl hinterlässt, diese Reaktionen seien völlig überzogen. Unter dieser Diskrepanz zwischen Ausgangsimpuls und beschriebener emotionaler Reaktion leidet das Leseerlebnis enorm.

Andererseits fallen mir Autorinnen wie Elle Kennedy (The Deal – Reine Verhandlungssache) ein, die relativ sparsam mit körperlichen Beschreibungen von Emotionen umgeht, die aber wunderbar in der Lage ist, Situationen zu konstruieren, die von den Protagonisten – und den Lesern – starke Emotionen abverlangen. Hier bedarf es nur der Andeutung von Reaktionen, da der Leser das gewünschte Gefühl ja selbst erlebt.

Der Schluss liegt nahe, dass es einen großen Unterschied beim Lesen macht, ob ich Emotionen lediglich geschildert bekomme, oder ob ich sie selbst beim Lesen empfinde.

Übung

Mein Tipp für den Anfang: Achtet beim Lesen auf eure Emotionen. Schaut, worauf ihr reagiert. Und prüft dann, was diese Reaktion ausgelöst hat. Selten wird dies allein eine Beschreibung der emotionalen Reaktion der Protagonisten gewesen sein. Diese kann verstärkend wirken, wird aber kaum allein ausschlaggebend für eure Reaktion sein. Eine spannende Entdeckungsreise wartet auf euch: Ran an eure Lieblingsbücher!

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