Seth King: The Summer remains – Rezension

Seth King gehört zu jenen Autoren, die sich bereits mit ihrem ersten Roman auf dem (eBook-)Markt etablieren konnten. Sein „The Summer remains“ ist eine hochemotionale Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Leuten. Besonders wird die Story dadurch, dass die Protagonistin weiß, dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Eine lebensbejahende, weise und liebevolle Geschichte.

Summer Johnson, die 24jährige Protagonistin aus Seth Kings Roman “The Summer remains”, leidet unter Ösophagusatresie,  einer angeborenen Unterbrechung der Speiseröhre, die dazu führt, dass sie sich nur über eine am Bauch befestige Magensonde ernähren kann. Ihr Ungestüm brachte ihr darüber hinaus eine auffällige Narbe im Gesicht ein. Kein Jackpot, wenn man die Teenagerjahre heil überstehen will.

Als ihr Zustand sich immer weiter verschlechtert, entschließen sich die Ärzte zu einer gefährlichen Operation, die bisher allerdings nur wenige Patienten überlebt haben. Wenn alles gut geht, kann sie danach ein halbwegs normales Leben führen. Wenn nicht, hat sie die letzten drei Monate ihres jungen Lebens vor sich. Sie beschließt, diese drei Monate zur besten Zeit ihres Lebens zu machen und so viele Erfahrungen wie möglich mitzunehmen.

Über eine Dating-App lernt sie Cooper Nichols kennen. Er ist vielleicht ein bisschen zu perfekt. Sieht gut aus, ist charmant, findet sie schön. Ihrer Narbe zum Trotz. Und sogar, als er ihren Schlauch am Bauch entdeckt, irritiert ihn das nicht sonderlich.

Kompliziert wird es erst, als eine Freundin Summers sich Cooper gegenüber verplappert und von der bevorstehenden Operation erzählt. Wie soll man sich auf eine Liebe einlassen, bei der ein tragisches Ende nahezu vorprogrammiert ist?

Eine kleine, ungewöhnliche Liebesgeschichte entwickelt sich, leichtfüßig geschrieben, mit vielen klugen Gedanken über Behinderungen, die Narben des Lebens und innere Schönheit.
Cooper Nichols als love interest ist vielleicht ein wenig zu idealtypisch. Aber Seth King bekommt galant die Kurve, indem er zeigt, wie Cooper zu dem werden konnte, der er heute ist: Zuhause ist seine an Multipler Sklerose erkrankte Mutter auf ihn angewiesen. Und er selbst, der deswegen lange an Depressionen litt, wurde in der Schule zum willkommenen Mobbingopfer. Kein Wunder, dass sein Mitgefühl deutlich ausgeprägt ist und innere Werte ihm wichtiger sind als der schöne Schein. Und da trifft er mit Summer auf genau die Richtige.

Der Roman ist ein klassischer “Young Adult”, wenn auch mit einigen Elementen des “New Adult”: Die Protagonisten sind bereits Mitte 20, und für beide stellt sich die Frage, was sie mit ihrem Leben anfangen. Für Summer ist diese Frage sehr existenziell, solange die Gefahr im Raum schwebt, den Herbst nicht mehr zu erleben. Cooper hingegen hat seine Träume bereits begraben. Er schreibt gern, hat eine Weile für die Zeitung gearbeitet und sein erstes Buchmanuskript im Schreibtisch liegen. Aber erst Summer bringt ihn dazu, wieder an sich und sein Talent zu glauben.

Sexualität spielt allerdings in diesem Roman kaum eine Rolle. Zwar schlafen die beiden irgendwann miteinander, doch ist Seth King ein Vertreter der Old School, die sich in wenigen Andeutungen ergeht und um die Probleme und Ängste , die mit dem Sex einhergehen, einen großen Bogen macht.

Insofern stellt sich die Frage, ob die Kategorisierung des Romans in das Genre “New Adult”, die die Lesergemeinde von goodreads.com unternommen hat, den Kern trifft. Dort fand sich der Roman in der Hitliste für die besten New Adult-Romane des Jahres 2015 unter den Top 10. Das Problem dürfte sein, dass es noch keine allgemein gültige Definition des Begriffs gibt. Dementsprechend ist die Einordnung zwangsläufig schwammig.

Wer sich klar macht, dass E. L. James mit ihren “50 Shades of Gray” das Genre New Adult eingeleitet hat, wird Seth Kings “The Summer remains” vielleicht etwas altbacken finden. Der Roman ist eben keine “sexed up” Coming-of-age-Story,  sondern folgt im Plot dem gängigen Schema der Liebesgeschichte.

Besonders wird die Geschichte durch ihre Protagonisten, die sicher lange im Gedächtnis bleiben werden. Die Dialoge, die Seth King ihnen in den Mund legt, haben eine Tiefe, die mich an Colleen Hoover in ihren besten Phasen erinnert. Auch Cooper könnte durchaus eine Figur aus dem Arsenal Hoovers sein: einfühlsam, verantwortungsbewusst, charmant – der ideale Freund.

Schade ist in der Tat, dass das Thema der Körperlichkeit in diesem Roman, in dem sich alles um die körperliche Beeinträchtigung der Protagonistin dreht, weitestgehend ausgeklammert bleibt. King fährt hier zu deutlich den romantischen Kurs des Young Adult. Seine Protagonisten fühlen sich von ihrem Wesen angezogen, die sexuelle Anziehung spielt so gut wie keine Rolle. Als sie dann doch beschließen, zusammen zu schlafen, wird ihre Begegnung weitestgehend ausgeblendet.

Wer sich daran nicht stört, wird mit einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte belohnt.

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