12 Stufen körperlicher Intimität

Marc und ich beschäftigen uns viel mit den Theorien rund ums Schreiben. So stieß ich vor ein paar Tagen auf eine Liste “Die 12 Stufen körperlicher Intimität“, die Autorenkollegin Jenny Hansen nach der Lektüre von Desmond Morris’ Intimate Behaviour: A Zoologist’s Classic Study of Human Intimacy zusammengestellt hat. Morris ist Verhaltensforscher, und die Lektüre seines Buches sicherlich ein Gewinn für jeden, der sich mit dem Thema “Intimität” beschäftigt.

Die 12 Stufen körperlicher Intimität

Ich fasse die 12 Stufen körperlicher Intimität hier einmal kurz zusammen. Wer genaueres wissen will, mag sich an den Link von Jenny halten – oder gleich zu Morris greifen:

  1. Abchecken
    Das erste Abtasten, das erste Kennenlernen, die erste Prüfung. Keine Annäherung ohne diesen ersten Schritt. Im Creative Writing eine gute Gelegenheit, einen Protagonisten einzuführen, denn mit dem kritischen Blick einer handelnden Person lassen sich Klischees umgehen.
  2. Augenkontakt
    Die erste Interaktion. Viel hängt davon ab, wie sich dieser Blickkontakt gestaltet. Alles, was über zwei Sekunden hinausgeht, wird bewusst und bewegt etwas in der Psyche. Meist wird schon hier deutlich, wer mit wem etwas anfangen kann.
  3. Ansprache
    Der erste Wortwechsel. Wir hören, mit was für einer Stimme der/die Andere spricht. Im Creative Writing sind Platitüden verboten. Insofern sagen diese ersten Sätze eine Menge über die Protagonisten aus. Müssen sie den Nukleus des Lebens der Protagonisten in sich tragen.
  4. Handschlag
    Die erste Berührung, meist über den Ritus des Händeschüttelns. Aber auch bei einem zwanglosen Kneipengespräch ist das Berühren der Hände des Gegenübers der erste Schritt, der anzeigt: Ich will Intimität.
  5. Umarmung 1: Der Arm um die Schulter des anderen
    Sei es zwanglos, um den Weg gemeinsam fortzusetzen, oder als erstes Zeichen einer gesuchten Nähe: Der Arm um die Schulter ist ein Symbol der Zugehörigkeit. Später wird daraus gern eine Geste des Besitzergreifens – der Grund, warum manche ziemlich allergisch darauf reagieren. Zumindest dann, wenn die Sympathie nicht gleich verteilt ist.
  6. Umarmung 2: Der Arm um die Taille des anderen
    Der Tanz beginnt. Findet die Hand oder der Arm den Weg von der Schulter an die Taille oder zumindest den Rücken, wird aus der freundschaftlichen Geste eine intime. Letztlich bewegt sich die Hand in Richtung Unterleib. Die Grenze der Intimität wird erweitert.
  7. Küsse
    Wenn ein solcher Grad an Intimität erreicht wird, fällt meist der erste Kuss. Emotional sollte eine Menge in unseren Protagonisten passieren, biochemisch wird Speichel ausgetauscht. Wir spüren, wie wir auf den anderen reagieren, denn Speichel enthält Botenstoffe, mit denen wir etwas anfangen können – oder eben auch nicht.
  8. Streicheleinheiten
    Zeit der Zärtlichkeiten. Die Hand an den Haaren oder Wangen des Partners sind ein extrem intimer Moment.
  9. Necking
    In dem Augenblick, in dem die Hand vom Kopf über den Hals in Richtung Schultern wandert oder eine andere nackte Stelle des Körpers berührt, beginnt das Necking, die Vorstufe des Vorspiels.
  10. Lippenspiele
    In der Regel folgen auf die Fingerspitzen, die über die nackte Haut gleiten, die Lippen. Irgendwann finden sie Männerlippen auf der Brust der Frau. Meist hat die Frau inzwischen zumindest ihr Oberteil abgelegt und zeigt sich so dem Mann. Vielleicht der Sprung in der Intimitätszunahme, der am meisten Vertrauen erfordert: Findet er mich schön, so wie ich bin?
  11. Petting
    Nennt es Vorspiel, nennt es Safer Sex. Die Hand an den Genitalien des Partners setzt eine weitgehende Bereitschaft voraus, sich auf den anderen sexuell einzulassen. Hier wird bewusst erregt, egal, ob bis zum Orgasmus durchgezogen, oder als Vorspiel für den eigentlichen Geschlechtsverkehr gedacht, um sich gegenseitig zu erregen.
  12. Coitus
    Blödes Wort. Die Stufe der Intimität, in der Genitalien sich an Genitalien reiben und zwei Leute eins werden. Zumindest für den Moment.

Für uns als Autoren bietet jede dieser zwölf Stufen die Möglichkeit, mit Zweifeln oder handfesten Problemen das Vorwärtskommen der Intimität zu unterbrechen. Auf jeder Stufe haben beide Partner die Chance, sich darüber klar zu werden, ob sie weitermachen wollen, oder ob sie an dieser Stelle ein “Stop”-Signal setzen.

Je nachdem, wie eure Protagonisten gestrickt sind, können Tage zwischen den einzelnen Stufen liegen. Oder – gerade wenn ein Charmeur unterwegs ist – alles geht ganz schnell. Klar ist aber: Je stärker ihr die einzelnen Stufen ausmalt, alle fünf Sinne ansprecht und die Psyche eurer Protagonisten ausmalt, desto eher können Leser sich wiederfinden. Und genau das wollen die Leser – von Romances ebenso wie von handfester erotischer Literatur.

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